Courtois und Huss
1980 kaufte der französische Schausteller De Fleur ein Geschäft von der Firma HUSS aus Bremen/Deutschland. Fleur bestand darauf, dass Jacques Courtois die Dekoration seines Geschäftes malte. Der war inzwischen in Frankreich bei den Schaustellern Kult geworden. So kam es zur Begegnung von Jacques Courtois und Karl von Winterfeld aus dem Hause HUSS. Zwischen den beiden entstand schnell „a very good friendly relation“, berichtete Frau Courtois.
Anfang der 1980er Jahre bat Karl von Winterfeld, Jacques Courtois nach Bremen zu kommen, um die Dekoration einiger Karussells zu malen. Für Courtois, der in Frankreich viel Arbeit hatte, kam ein Umzug nach Deutschland nicht in Frage, also schickte Huss ihm die Panneaux der Rückwände mit einer deutschen Speditionsfirma
Karl von Winterfeld war von den Arbeiten des französischen Künstlers beeindruckt und es begann der Transfer von länderübergreifende Gesamtkunstwerke deutscher Architektur von Schaustellergeschäften und deren französischen Dekorationen. Es wurden jedes Jahr 12 Aufträge ausgeführt und transportiert.
Jacques Courtois hatte nie persönlichen Kontakt zu Huss-Kunden, ob deutsche, amerikanische, japanische oder andere.
Von 1983 bis 1993 sandte die Firma HUSS fortlaufend Dekorationselemente von Bremen nach Paris ins Atelier von Courtois.
Courtois bestätigte, dass HUSS über den gesamten Zeitraum ihrer Zusammenarbeit immer pünktlich die Aufträge bezahlt habe. Abgerechnet wurden die Arbeiten nach Quadratmeter. Der Preis ist ihm heute nicht mehr in Erinnerung, aber es gab nie Anlass zu Diskussionen.
Anfangs beschäftigte Courtois 10 Mitarbeiter. Bald reduzierte er auf zwei junge Künstler, Michel Orlinsky und Gérald Aussiette, die beide seine hohen Ansprüche erfüllten.
Beim Interview begann Courtois zu schwärmen und erzählte kleine Anekdoten aus jener Zeit. Sein erster Großauftrag für HUSS war die Bemalung eines Break Dance für die Firma Bufkens. Aber nach seinen Angaben malt er auch die Dekorationen von einem Ranger für den französischen Schausteller Hoffmann und einen Rainbow für Fleur. Fleur erwarb auch einen Condor, der von Courtois gemalt wurde.
Courtois glaubt, dass er etwa 15 Break Dance gemalt hat. (Die Recherche ergab, dass es wenigstens 19 gewesen sein müssen) Die einzige Vorgabe für seinen ersten Break Dance sei der Stil „Pop Art“ gewesen. Anders als bei den Aufträgen für französische Schausteller, die er neben den Arbeiten für HUSS weiter ausführte, gab es keine Gespräche zwischen Schausteller und Maler.
Er, Courtois sei damals in eine Buchhandlung gegangen und habe alles über Pop Art gekauft, was er habe finden können. Ihm gefielen die Szenenfolge und den Farbverläufen der Pop Art-Künstler.
Für den ersten Auftrag fertigte Courtois drei Entwürfe und ließ wie gewünscht Szenen der Popkultur und amerikanische Skylines einfließen. Seine Entwürfe erinnerten in ihrer Form an Panoramen. Die Bildinhalte waren eine Zusammenstellung aus Elementen von Surrealismus, Pop Art und Street Art. Die einzelnen Szenen der Rückwandbemalung verschmolzen durch fließende Farbverläufe zu einer Einheit, wie es auch in der klassischen Kunst bei James Rosenquist oder Neo Rauch zu sehen ist.
Karl von Winterfeld war begeistert — aber reduzierte unmittelbar auf zwei Entwürfe, die er bezahlen würde. Heiterkeit erfüllt Courtois bei der Erinnerung an diese Begegnung.
Es ist bekannt, dass HUSS meist fünf Geschäfte einer Serie produzierte. Courtois stand frei, Abwandlungen des abgesprochenen Entwurfs vorzunehmen. Sonderwünsche von Schaustellern für die Bemalung wurden einige Male von Winterfeld vorgetragen, waren jedoch nicht gängig.
Courtois erinnert sich, dass 1985/86 das Karussell Flipper in Planung gewesen sei. Er bekam keinerlei Vorlagen, sondern hatte völlig freie Hand für die Entwürfe.
Flipper Meeß. Foto © Mark Schumburg
Courtois thematisierte das Flipperspiel für die Bemalung auf der rückwandigen Fassade. Ins Zentrum stellte er einen Flipper-Automaten. Rechts flankierte eine junge Frau den Flipper, eine gewisse Ähnlichkeit zu Marie-Claire, widersprachen die Eheleute Courtois auf Anhieb. Aber für den jungen Mann auf der linken Seite fehlte damals ein Modell, sodass der Sohn Vincent dafür herhalten musste. Courtois malte ihn mal mit Brille und mal ohne.
Dazu gibt es eine kleine Episode. Im vergangenen Jahr (2017) besuchte Vincent Courtois mit Frau und Kinder New York. Als sie mit dem Zug an einem Fun Fair im Central Park vorbei fuhren entdeckten sie den Flipper. Vincent erzählte seiner Familie, dass der Opa das Karussell bemalt hätte. Ganz glaubte die Familie wohl nicht und hielten es eher für einen Scherz. Auf der Rückreise unterbrachen sie die Fahrt und Vincent Courtois ging mit seiner Familie zu dem Flipper. Die Überraschung war groß, als die Kinder ihren Vater in Lebensgröße auf dem Karussell entdeckten.
Dieser Flipper war der letzte der Baureihe Nr. 23. Er reiste seit 1998 in Schweden und seit 2016 in den USA. Jetziger Besitzer ist die S. J. Entertainment
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